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Von Prompt zu belastbarer Governance: Was GPT-5 in Banken wirklich verändert

Ein Detail aus der Release-Präsentation zu GPT-5 ist hängengeblieben: Man kann dem System einfach schreiben „think hard about this“ – und es schaltet in einen tieferen Denkmodus. Kein Knopfdruck, kein Modellwechsel, keine komplizierten Workarounds. Ein schlichter Befehl, der sinnbildlich steht für eine größere Verschiebung: KI arbeitet nicht mehr nur auf Zuruf, sie agiert innerhalb klarer Regeln. Aus Prompts werden Vorgaben, aus Experimenten wird belastbare Governance.

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Vom „KI-Spielplatz“ zur belastbaren Governance

In vielen Banken sieht die Realität bislang so aus: Man sammelt Use Cases, testet Tools, startet Piloten. Mal gelingt ein Prototyp, mal versandet er. Die Struktur dahinter bleibt oft brüchig. GPT-5 verändert das Spielfeld, weil es nicht nur schneller oder billiger ist, sondern auch verlässlicher. Es plant, ruft externe Systeme auf, fängt Fehler ab und liefert ein Ergebnis – und zwar reproduzierbar. Die technische Grundlage für echte Governance liegt damit vor. 

Governance in diesem Sinne ist mehr als Technologie. Sie bedeutet Vorgeben, Unterstützen, Kontrollieren: Vorgaben zu Prozessen und Grenzen der KI-Nutzung, Unterstützung durch Werkzeuge und Standards, Kontrolle über Qualität, Kosten und regulatorische Konformität. Erst wenn diese drei Elemente zusammenspielen, wird aus einem KI-Pilot ein tragfähiger Betriebsbaustein. 

Der Game Changer: Deutlich weniger Halluzinationen

Einer der größten Sprünge von GPT-5 liegt nicht im Sichtbaren, sondern im Weggelassenen: falsche Fakten. Die Halluzinationsrate ist messbar niedriger als bei den Vorgängern – laut OpenAI etwa 45 % geringer als bei GPT-4o und im Thinking-Modus rund 80 % geringer als bei o3, gemessen an anonymisierten, realistischen Prompts mit Websuche. Für den Bankbetrieb ist das kein Detail, sondern ein Paradigmenwechsel: Weniger Korrekturschleifen, geringeres Reputationsrisiko und weniger operative Risiken durch Fehlentscheidungen. Kombiniert mit einer verbesserten Ehrlichkeit – das Modell gibt eher zu, wenn es etwas nicht weiß – entsteht eine Qualitätsbasis, auf der sich regulatorisch geprüfte Prozesse aufbauen lassen.

Vom Use Case zur Arbeitsweise

Wir sagen nicht, dass Prozessoptimierung und konkrete Anwendungsfälle überholt sind. Aber sie sind nur ein Teil der Wahrheit. Niemand würde heute noch von „Use Cases für Digitalisierung“ sprechen – Digitalisierung ist eine Arbeitsweise, kein Einzelfall. Genauso muss KI verstanden werden: als neuer Kollaborateur, der in Arbeitsabläufe eingebettet ist und dort Verantwortung übernimmt.

Das bedeutet für Banken: Weg vom Katalog einzelner KI-Projekte, hin zu einer Steuerung über klare KI-Vorgaben und eine zentrale Plattform, die für ganze Prozessfamilien gilt. Nicht die Frage „Welches Modell setzen wir ein?“ ist entscheidend, sondern „Wie wird es eingesetzt, nach welchen Regeln arbeitet es, und wie sichern wir das ab?“

Middle Office als erstes Transformationsfeld

Der größte Hebel liegt im Middle Office. Hier werden Dokumente geprüft, Ausnahmen bearbeitet, regulatorische Reports erstellt – Tätigkeiten mit hohem Koordinationsanteil und vielen Medienbrüchen. GPT-5 kann diese Arbeitsschritte planen, passende Tools ansteuern, Fehler auffangen und das Ergebnis in prüfbarer Form liefern. 

Konkrete Beispiele aus unserer Praxis:

  • Gutachtendigitalisierung: Immobiliengutachten werden automatisch strukturiert, analysiert und in vergleichbare Datensätze und Entscheidungsgrundlagen überführt – das verkürzt die Bearbeitungszeit deutlich und erhöht die Vergleichbarkeit für Kreditentscheidungen. 
  • Immobiliengutachten-Validierung: KI-basierte Plausibilitätsprüfung identifiziert fehlende Abschnitte oder ungewöhnliche Annahmen, was die Qualitätssicherung beschleunigt, und das Risiko fehlerhafter Bewertungen reduziert. 
  • Regulatorisches RAG: Antworten zu MaRisk, EBA-Leitlinien oder EU AI Act werden mit Quellen belegt, versioniert und auditierbar dokumentiert, sodass Prüfungen effizienter ablaufen und Compliance-Aufwände sinken. 

Diese Beispiele sind keine isolierten Use Cases, sondern Ausdruck einer Arbeitsweise, die sich unmittelbar auf den Geschäftserfolg auswirkt: klare Vorgaben, technische Unterstützung und wirksame Kontrolle sorgen für schnellere Abläufe, höhere Qualität und messbare Effizienzgewinne. 

Workflow-Telemetrie als Wettbewerbsvorteil

Was Banken dabei aufbauen, ist ein neuer Datenschatz: Workflow-Telemetrie. Jeder Schritt, jedes genutzte Tool, jede Korrektur wird nachvollziehbar. Das ist nicht Selbstzweck, sondern schafft die Grundlage für faktenbasierte Steuerung und Optimierung. Für Banken bedeutet das: Prozessschwachstellen lassen sich klar identifizieren, regulatorische Anforderungen gezielt erfüllen, und die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI kann kontinuierlich verbessert werden. In einem Umfeld, in dem die zugrunde liegenden Modelle austauschbar sind, wird diese Fähigkeit zur präzisen Orchestrierung und Steuerung zum eigentlichen Wettbewerbsvorteil.

Die drei Säulen für den Betrieb

Damit schließt sich der Kreis: So wie in der Präsentation ein schlichter Befehl den Wechsel in einen tieferen Denkmodus auslöste, markiert GPT‑5 insgesamt den Übergang zu einer neuen Arbeitsweise. Es ist nicht einfach ein besseres Sprachmodell, sondern der erste Baustein für KI, die im Bankbetrieb unter klaren Regeln, mit prüfbaren Ergebnissen und in reproduzierbarer Qualität arbeitet. Wer jetzt den Schritt von einzelnen Projekten zu belastbarer Governance wagt, legt den Grundstein dafür, dass KI nicht nur funktioniert, sondern strategisch wirkt – und baut sich so ein Vorsprung auf, der nicht von der nächsten Modellgeneration eingeholt werden kann. 

Tim Körwers

Tim Sebastian Körwers

ist als Senior Manager im Bereich Artificial Intelligence bei msg for banking auf künstliche Intelligenz und Prozessmanagement spezialisiert und verantwortet Design und Entwicklung eines KI-Produktportfolios. Außerdem gründete er die GenAI-Community der msg. Als Experte leitet er KI- und Prozessmanagement-Projekte und berät Kunden aus unterschiedlichen Branchen in der KI-gestützten Digitalisierung ihrer Prozesse.

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