SREP 2.0: Wie die EBA die Aufsicht neu kalibriert
Das Konsultationspapier EBA/CP/2025/21 setzt einen bedeutenden Impuls für die Weiterentwicklung des bankaufsichtlichen Rahmens und definiert klare Erwartungen an Institute sämtlicher Größenklassen. Es zielt auf mehr Proportionalität, straffere Verfahren und eine engere Verzahnung zentraler Elemente des SREP ab. Zugleich rückt eine wirksame, ursachenorientierte Bewertung stärker in den Fokus. Dies bringt Handlungsbedarf für Finanzinstitute mit sich. Dieser Beitrag bietet eine erste Orientierung über die wesentlichen Inhalte und die regulatorische Stoßrichtung.
- Leitmotiv: Proportionalität, Straffung und stärkere Verzahnung
- Scoring und Aufsichtseffektivität: weg von Checklisten, hin zu Ursachen und Eskalation
- Kommunikation der SREP-Ergebnisse: mehr Struktur, mehr Begründungslast
- ESG und Governance: Integration statt separatem Modul
- Operationelle Resilienz und ICT: Integration in Operational Risk – mit DORA-Bezug
- Zusammenspiel von Pillar 1, Pillar 2 und Output Floor
- Stresstests und Pillar 2 Guidance
- Spezielle Neuerungen: Transfer-Pricing-Marktrisiko und Drittland-Zweigstellen
- Einordnung der Neuerungen im Gesamtbild
Mit dem Konsultationspapier EBA/CP/2025/21* hat die europäische Aufsicht einen weitreichenden Impuls für die Weiterentwicklung des bankaufsichtlichen Rahmens gesetzt. Die neuen Leitlinien sollen ab 1. Januar 2027 gelten und greifen tief in bestehende Prozesse ein, schärfen methodische Grundlagen und setzen klare Erwartungen an Institute sämtlicher Größenklassen. Besonders deutlich wird: Die Aufsicht strebt mehr Proportionalität, eine spürbare Straffung der Verfahren sowie eine engere Verzahnung zentraler Elemente des SREP an. Gleichzeitig verlagert sich der Fokus weg von reinen Checklisten hin zu einer wirksameren, ursachenorientierten Bewertung – einschließlich klarer Eskalationspfade.
Die Anpassungen betreffen zahlreiche Kernbereiche: von der strukturierteren Kommunikation der SREP-Ergebnisse über die vollständige Integration von ESG und Governance-Themen, bis hin zur Einbettung operationeller Resilienz und ICT-Risiken in das bestehende Operational-Risk-Framework – nicht zuletzt mit Blick auf DORA. Auch die Wechselwirkungen zwischen Säule 1, Säule 2 und der Output Floor werden neu geregelt. Zusätzlich konkretisiert die EBA ihre Erwartungen zu Stresstests und Pillar-2-Anforderungen (P2G), während eine Reihe spezieller Neuerungen, etwa in der Behandlung von Transfer-Pricing im Marktrisiko oder bei Drittland-Zweigstellen, weitere Anpassungen bei den betroffenen Instituten mit sich bringen.
Dieser Beitrag bietet eine erste Orientierung über die wesentlichen Inhalte und die regulatorische Stoßrichtung. In den kommenden Wochen folgen vertiefende Analysen und Deep Dives zu den einzelnen Themenfeldern – praxisnah, strukturiert und mit Blick auf die Auswirkungen für unterschiedliche Institutstypen.
Leitmotiv: Proportionalität, Straffung und stärkere Verzahnung
Die Überarbeitung rückt die Anwendung des Proportionalitätsprinzips als Kern des Aufsichtsengagements in den Vordergrund und zielt damit auf eine stärker risikofokussierte Aufsicht sowie einen effizienteren Einsatz aufsichtlicher Ressourcen ab. Zugleich werden Themen wie operationelle Resilienz, ESG-Risiken, die Integration von Vorgaben zu Drittland-Zweigstellen und Output-Floor-Fällen sowie die Integration der ICT-Risikobetrachtung in die allgemeinen SREP-Leitlinien als zentrale Neuerungen herausgestellt.
Für Institute heißt das praktisch:
Gefordert ist weniger ein Denken in einzelnen Modulen und vielmehr eine durchgängige, konsistente Nachweisführung entlang der gesamten Steuerungslogik (Strategie -> Governance -> Risiko -> Kapital / Liquidität), weil Querschnittsdimensionen (insbesondere ESG-Risiken und operationelle Resilienz) ausdrücklich über bestehende SREP-Elemente integriert werden sollen.
Scoring und Aufsichtseffektivität: weg von Checklisten, hin zu Ursachen und Eskalation
Der Leitlinienentwurf betont, dass die tabellarischen „Considerations“ zur Score-Vergabe keine mechanische Checkliste darstellen, sondern mittels Aufsichtsurteil im Kontext der institutsindividuellen Relevanz und Wechselwirkungen anzuwenden sind. Gleichzeitig wird explizit für den Overall-SREP-Score eine „F“-Bewertung („failing or likely to fail“) als zusätzlicher Score vorgesehen, inklusive Anstoß zur Einbindung von Abwicklungsbehörden. Flankierend wird ein hochrangiger und flexibel ausgestalteter Eskalationsrahmen beschrieben, der Aufsehern bei der Auswahl geeigneter Maßnahmen helfen soll und dabei ausdrücklich an den Ursachen identifizierter Defizite ansetzt.
Doch die Aufsicht versteht die Maßnahmenfolge nicht als starres Sequenzmodell. Es wird stärker bewertet, in welchem Maße ein Institut bereit und in der Lage ist, identifizierte Schwächen effektiv und zeitnah zu remedieren (ein Aspekt, der künftig in die Governance-Beurteilung einfließt). Für Institute entsteht daraus ein klarer Handlungsdruck: Remediation-Governance (Ownership, Meilensteine, Nachweisführung, Reporting an das Leitungsorgan) wird selbst zum aufsichtlichen Beurteilungsgegenstand und kann die Intensität der Aufsicht und Maßnahmenwahl spürbar beeinflussen.
Kommunikation der SREP-Ergebnisse: mehr Struktur, mehr Begründungslast
Die EBA hebt hervor, dass Erwartungen zur Kommunikation der SREP-Ergebnisse gebündelt werden sollen, im Leitlinienentwurf konkretisiert als formelles Schreiben an das Leitungsorgan. Inhaltlich soll die Mitteilung mindestens eine Ergebniszusammenfassung und den Overall-SREP-Score enthalten, und, wo zweckmäßig, auch Scores für relevante (Sub-)Elemente.
Besonders wichtig für Institute:
Anforderungen aus der Säule II sind institutsindividuell zu begründen, inklusive einer Darstellung wesentlicher Risikotreiber.
Zudem muss die Kommunikation bei relevanten Änderungen des Pillar-1-Rahmens die Interaktionsprüfung explizit abbilden. Das erhöht die Anforderungen an nachvollziehbare, risikoartenbezogene Herleitungen und an konsistente „Storylines“ zwischen ICAAP / ILAAP, SREP-Dialog und Kapitalplanung.
ESG und Governance: Integration statt separatem Modul
ESG-Risiken werden nicht als eigenständige Risikoklasse behandelt, sondern quer über Business Model, Governance und Steuerung sowie die Kapital- und Liquiditätsdimension integriert. Im Leitlinienentwurf wird dies u. a. dadurch operationalisiert, dass ESG-Risiken (insbesondere physische und transitorische Risiken) bei der Governance-Beurteilung explizit zu berücksichtigen sind. Für Institute bedeutet das: ESG-Daten, Risikotreiber, Limite, Policies und die strategische Einbettung sind so aufzubereiten, dass sie sich konsistent in mehrere SREP-Stränge einfügen lässt. Andernfalls drohen Befunde nicht nur im ESG-Kontext, sondern zugleich in Geschäftsmodell- und Governance-Scores.
Operationelle Resilienz und ICT: Integration in Operational Risk – mit DORA-Bezug
Die EBA beschreibt eine holistische Perspektive auf operationelle Resilienz und integriert die ICT-Risikobetrachtung in die Operational-Risk-Bewertung, inklusive Drittparteienabhängigkeiten, Incident-Management und Cyber-Security. Konsistent dazu sieht der Leitlinienentwurf bei aufsichtlichen Maßnahmen auch explizite Bezüge zu DORA-Abhilfemaßnahmen vor. Für Institute ist die Implikation zweifach: (1) die „Trennung“ von ICT-SREP und Operational-Risk-SREP entfällt in der Erwartungslogik, (2) DORA-konforme ICT-Kontrollen und Third-Party-Risk-Management werden stärker als aufsichtsrechtlich relevante Resilienz-Faktoren in Scoring und Maßnahmenkaskade wirken.
Zusammenspiel von Pillar 1, Pillar 2 und Output Floor
Führt eine Änderung der P1R-Methodik oder ihrer Anwendung potenziell zu einem spürbaren Effekt auf das Kapitalprofil, müssen Aufseher die Schnittstelle zur Säule 2 prüfen und diese bei Bedarf anpassen, um Doppelungen auszuschließen. Wird ein Institut erstmals durch den Output Floor gebunden, sollen die Anforderungen vorübergehend auf den unbegrenzten Total Risk Exposure Amount (TREA) angewendet und anschließend überprüft werden, dass keine Doppelzählungen und arithmetische Effekte entstehen, welche die Ergebnisse verzerren. Institute sollen eine erwartete Output-Floor-Bindung frühzeitig (auf Basis von Schätzungen) adressieren.
Robuste Projektionen und die Abgrenzung von Risiko- und Recheneffekten nehmen damit eine zentrale Rolle ein.
Stresstests und Pillar 2 Guidance
Die Empfehlung für das Kapitalniveau (P2G) sowie die Leverage Ratio (P2G-LR) soll auf Basis der Ergebnisse der aufsichtlichen Stresstests bestimmt werden und dabei aufsichtliche Bedenken zur Sensitivität des Instituts gegenüber diesen Szenarien adressieren. Zugleich sollen dadurch aber keine Risiken (bzw. Leverage-Aspekte) abgedeckt werden, die bereits über die festen Vorgaben der P2R erfasst sind. Die Festlegung kann (sofern eine angemessene Zwischenprüfung unter Einbeziehung zusätzlicher Sensitivitätsanalysen erfolgt) auch im Zweijahresrhythmus vorgenommen werden. Bei der abschließenden Kalibrierung können unter anderem glaubhafte und mit hoher Sicherheit erwartete Managementmaßnahmen einbezogen werden. Ist ein Institut durch den Output Floor eingeschränkt, kann eine Überprüfung der P2G-Kalibrierung vorgesehen werden.
Spezielle Neuerungen: Transfer-Pricing-Marktrisiko und Drittland-Zweigstellen
Für konzerninterne Marktrisikotransfers sieht der Entwurf eine Methodik zur Ableitung der P2R in Form eines Multiplikators vor. Wird hingegen ein Marktrisikoregime eines Drittlands genutzt, das nicht dem EU-Pillar-1-Rahmen entspricht, ist ein entsprechender Aufschlag anzuwenden. Gleichzeitig bleibt die Verwendung gleichwertig robuster Alternativmethoden ausdrücklich möglich. Drittland-Zweigstellen werden als eigenständiger SREP-Baustein behandelt, wobei sich die Mindestprüfintensität an der Einstufung in Class 1 bzw. Class 2 orientiert. Im Fokus der Bewertung stehen insbesondere Geschäftsmodell, Governance und Kontrollrahmen, Kapitalausstattung und Liquidität sowie die Booking Arrangements. Zudem werden sowohl die Abhängigkeit von der Gruppe als auch der erforderliche Grad an operativer Eigenständigkeit im Sinne einer nachhaltigen Tragfähigkeit berücksichtigt.
Einordnung der Neuerungen im Gesamtbild
Mit dem Konsultationspapier verdeutlicht sich die zunehmende Komplexität der aufsichtlichen Anforderungen. Die vorgeschlagenen Anpassungen reichen von einer deutlichen Vertiefung der SREP-Methodik über eine stärkere Verzahnung mit den aufsichtlichen Stresstests bis hin zu spezifischen Vorgaben für einzelne Risikoarten und Organisationsformen. Damit setzt die EBA nicht nur neue fachliche Akzente, sondern schärft zugleich das Erwartungsniveau an Institute im Hinblick auf Governance, Risikosteuerung und Kapitalplanung.
Vertiefte Einblicke in die konkreten Anforderungen und Änderungen im SREP-Prozess sowie in den aufsichtsrechtlichen Stresstests folgen in den kommenden Beiträgen dieser Reihe – mit detaillierten Deep Dives zu SREP-Berechnung, Output Floors, ICT-Aspekten und ESG-Themen!
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