Fachkräftemangel im Banking: Strategien für die Vorstandsebene
Der Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden ist Realität – und wird sich auch nicht allein durch Künstliche Intelligenz (KI) lösen lassen. Die Zukunft basiert auf der richtigen Mischung von Technologie und Mitarbeitenden mit neuen Qualifikationen. Wie sich Vorstände jetzt schon darauf vorbereiten können, wird im Beitrag erörtert.
- Die Zukunft des Bankings: Menschlich vertraut – und technologisch gestärkt
- Wie ernst ist die Lage?
- Definition eines zukünftigen Betriebsmodells
- Auswirkungen auf Mitarbeiterentwicklung – Welche Rolle spielen Skills und Talentstrategie?
- Aus- und Weiterbildung als strategischer Erfolgsfaktor
- Fazit und Ausblick
- Quellen
Die Zukunft des Bankings: Menschlich vertraut – und technologisch gestärkt
Dass die digitale Transformation höchste strategische Priorität haben muss, ist auf Vorstandsebene längst unstrittig. Die zunehmende Integration von KI-Technologien wird diesen Wandel weiter beschleunigen – quer durch sämtliche Funktionsbereiche.
Doch trotz Einigkeit über die Notwendigkeit bleibt eine zentrale Frage offen:
Wie sieht das optimale Betriebsmodell einer Bank in fünf oder zehn Jahren aus und welche strategischen Handlungsfelder ergeben sich daraus?
Denn trotz aller digitalen Möglichkeiten sucht ein Großteil der Kunden weiterhin den Weg in die Filiale.1 Insbesondere bei komplexen, vertrauensintensiven Themen wie Vermögensberatung, Immobilienfinanzierung oder der Altersvorsorge, bleibt der persönliche Kontakt meist erste Wahl, unabhängig von Einkommens- bzw. Vermögensverhältnissen.2
Die Zukunft des Bankings ist nicht rein digital – sondern technologisch unterstützt, menschlich geprägt und auf Vertrauen gebaut. Damit bildet die Qualität der Mitarbeitenden weiterhin eine wichtige Säule für den Erfolg jeder Bank.
Wie ernst ist die Lage?
Die Bedeutung qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleibt also hoch – doch der Fachkräftemangel im Bankensektor verschärft sich weiter. Gründe sind vor allem demografischer Wandel, Pensionierungswellen und rückläufige Ausbildungszahlen.
Die Faktenlage ist deutlich:
- Rund ein Drittel der Beschäftigten im Bankensektor geht in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand.3
- Mehr als 38.000 Stellen bei Banken und FinTechs sind derzeit unbesetzt.3
- 78 % der Vorstände der Volks- und Raiffeisenbanken nennen den Fachkräftemangel als wichtigsten Treiber für Fusionen.4
Damit steht die Branche vor einer strukturellen Herausforderung – die sich nur mit klarer strategischer Personalplanung bewältigen lässt. Folglich erhoffen sich zahlreiche Entscheidungsträger durch die Nutzung von technologischen Bestandteilen eine signifikante Produktivitätssteigerung. Doch häufig fehlt es an einer klaren Strategie, welche Technologie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am besten unterstützen, so dass langfristig Synergien realisiert werden. Eine weitere Gefahr: Der sogenannte Lock-in-Effekt. Dieser bezeichnet eine Situation, in der die Bank keine qualifizierten Mitarbeitenden mehr hat, die entscheiden können, ob die Ergebnisse der KI richtig oder falsch sind, da man bestimmte Bereiche komplett der Technologie überlassen hat.
Was oft fehlt, ist ein klares Zielbild über das Betriebsmodell, mit dem die Bank in den nächsten 5 bis 10 Jahren operieren wird.
Definition eines zukünftigen Betriebsmodells
Eine strategische Personalplanung setzt voraus, dass sich Banken über den Bedarf an Mitarbeitenden für die Zukunft bewusstwerden. Dieser leitet sich zwangsläufig aus dem Zielbild der Bank für die Zukunft ab, das wesentliche Fragen beantworten muss:
- Was werden meine Kernkompetenzen sein, die nur von den Mitarbeitenden erledigt werden können?
- Welche Funktionen können mit der Hilfe von Technologie effizienter erledigt werden?
- Welche Funktionen kann ich teilweise oder ganz auslagern?
Diese Fragen wird jede Bank für sich individuell beantworten müssen.
Einige Trends diesbezüglich lassen sich allerdings jetzt schon ableiten:
Kernkompetenz der Mitarbeitenden:
Bankgeschäfte bleiben in vielen Bereichen Vertrauenssache, vor allem bei großen und für Privat- und Firmenkunden wichtigen Entscheidungen. Deshalb wird der persönliche Kontakt künftig weiter entscheidend sein. Dazu kommen wesentliche Schlüsselpositionen in Management, Vertrieb, und Compliance. Um in ihren Rollen jedoch erfolgreich zu sein, werden sie um ein starkes Verständnis in KI und anderen technologischen Trends nicht hinauskommen und müssen entsprechend geschult werden. Hierbei sind KI-Tools als Ergänzung im operativen Alltag anzusehen, so dass repetitive Aufgaben automatisiert oder unterstützend umgesetzt werden.
Möglichkeiten der Effizienzsteigerung:
Stark prozessgetriebene Funktionen wie zum Beispiel im Dokumenten- oder Daten-Management profitieren von KI und anderen Technologien. Die ersten regulatorischen Überlegungen zu einer Vereinfachung der Regeln gerade für kleine und mittlere Banken birgt hier zusätzliche Entlastung.
Raum für Auslagerungen:
In allen Bereichen, die nicht zur Kernkompetenz der Bank gehören, aber von Skaleneffekten profitieren, bietet sich das Potential zur Auslagerung. Dies könnte vor allem im Bereich der IT-Anwendungen oder auch bei bestimmten Funktionen des Meldewesens der Fall sein.
Auswirkungen auf Mitarbeiterentwicklung – Welche Rolle spielen Skills und Talentstrategie?
Ausgehend von den obigen Ausführungen wird deutlich, dass die klassische Bankausbildung nicht mehr genügt, um Mitarbeitende tiefgreifend auf die neuen Aufgaben und Rollen vorzubereiten. Zudem bedarf es an innovativen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, um sich auf dem Arbeitgebermarkt zu differenzieren.
Folgende Ansätze sind institutsindividuell zu prüfen und zu bewerten:
- Employer Branding: Durch gezielte Recruiting- und Weiterbildungs-Maßnahmen können Banken dem Fachkräftemangel frühzeitig entgegentreten. Hierbei sind jedoch „neue Wege“ rund um New Work-Thematiken, Incentivierungen und attraktiven Weiterbildungsmaßnahmen notwendig, um sich im „war for talents“ zu behaupten.
- Mitarbeiterpooling: Temporärer Austausch von Spezialisten zwischen Instituten bei Engpässen.
- On-Demand-Talentmodelle: Externe Expertise flexibel buchbar („Freelancer-as-a-Service“).
- Flexible Arbeitsmodelle: Teilzeit, Jobsharing, Remote Work – besonders attraktiv für die Generation Z.
- Kooperation mit Start-ups und FinTechs: Zugang zu Innovation, agilem Denken und neuen Kompetenzen.
- Rekrutierung global: Ausländische Fachkräfte fangen Personallücken auf.
Aus- und Weiterbildung als strategischer Erfolgsfaktor
Die Gewinnung von Auszubildenden ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Gut ausgebildete Nachwuchskräfte sind nicht nur Fachkräfte von morgen, sondern prägen bereits während der Ausbildung die Kultur und den Wandel im Unternehmen mit. Eine qualitativ hochwertige Ausbildung basiert auf persönlicher Begleitung, klaren Strukturen und gezielter Prüfungsvorbereitung. Auch die Förderung sozialer und persönlicher Kompetenzen stärkt sowohl die Ausbildungsqualität als auch die langfristige Bindung ans Unternehmen. Diese Bindung kann über die Ausbildung hinaus gefestigt werden – etwa durch studienbegleitende Tätigkeiten in Teilzeit oder auf Minijob-Basis. So bleibt der Kontakt zur Praxis erhalten.
Um frühzeitig Talente zu gewinnen, braucht es innovative Berufsorientierung: Kurze Schnupperpraktika, Tagespraktika sowie Präsenz an Schulen und Ausbildungsmessen schaffen niederschwellige Einstiege und wertvolle Netzwerke. Mit diesen Maßnahmen sichern Banken nicht nur ihren Fachkräftenachwuchs, sondern stärken zugleich ihre Position als attraktiver Ausbildungsbetrieb.
Wie gehen Banken nun am besten vor? Die folgende Roadmap gibt Anhaltspunkte.
Abbildung: Roadmap zur Zukunftssicherung: Schrittweise Umsetzung
- Szenarioanalyse
- Welche Rollen und Prozesse sind kritisch, welche können durch KI übernommen oder ausgelagert werden?
- Zielbild erstellen
- Welche Kompetenzen und Rollen werden in fünf Jahren benötigt?
- Welche übergreifenden Ziele und Vision verfolgt die Bank?
- Welches Personal und welche Fähigkeiten sind notwendig, um die Ziele zu erreichen?
- Maßnahmen definieren
- Investition in Weiterbildung (z. B. ESG, KI, Datenkompetenz, Führung).
- Aufbau von Talentpools und Bewertung von Quereinsteiger-Programmen.
- Pilot und Skalierung
- Start mit Pilotprojekten (z. B. KI-gestützter Backoffice-Prozess), anschließende Rollout-Strategien.
- Monitoring und Anpassung
- KPIs: Besetzungsdauer, Weiterbildungsquote, Fluktuationsraten, ROI von KI-Projekten.
Fazit und Ausblick
Der Fachkräftemangel im deutschen Bankensektor ist tiefgreifend: Zehntausende offene Stellen, ein alternder Personalbestand und rückläufige Ausbildungszahlen prägen die Lage. Gleichzeitig steigt der Druck, Geschäftsmodelle zu transformieren und Effizienzpotenziale zu heben.
Künstliche Intelligenz bietet hier enormes Potenzial – insbesondere bei Routineprozessen, Serviceautomatisierung und interner Effizienzsteigerung. Doch KI allein wird das Problem nicht lösen.
Der Schlüssel liegt in einem hybrid-strategischen Ansatz, der:
- gezielte Weiterqualifizierung,
- systematischen Talentaufbau,
- flexible Beschäftigungsmodelle
- und technologische Integration
intelligent miteinander verzahnt.
Nur so lässt sich der Fachkräftemangel nicht nur abfedern, sondern auch als Katalysator für moderne, zukunftsfähige Strukturen nutzen.
Möchten Sie konkrete Maßnahmen für Ihr Institut identifizieren oder Best Practice-Ansätze erfahren? Dann kommen Sie gerne mit uns ins Gespräch.
Quellen
-
1. Bitkom, Digital Finance 2024
-
2. Atruvia, Wandel der Kundeninteraktion beim Banking von morgen - Bedeutung für Banken, Bankberater und Kunden, August 2023
-
3. Handelsblatt, Deutsche Banken verzeichnen stärksten Mitarbeiteranstieg seit Jahrzehnten, 25.06.2025
-
4. Genoverband e.V., Politische Debatte: Was hilft gegen den Fachkräftemangel?, 26.01.2025


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