Die EBA/GL/2025/04: Ein neuer Wegweiser für Sustainable Finance
Mit der Veröffentlichung der „Guidelines on environmental scenario analysis“ (EBA/GL/2025/04) am 04. November 2025 stellt die EBA ein neues Rahmenwerk zur Rolle von Szenarioanalysen im Kontext von Klimarisken bereit. In diesem Blogartikel erhalten Sie einen Überblick über die neuen Guidelines.
Die am 05. November veröffentlichten „Guidelines on environmental scenario analysis„ (EBA/GL/2025/04) bedeuten eine Konkretisierung der bestehenden regulatorischen Anforderungen im Umgang mit Umweltrisiken innerhalb des europäischen Finanzsystems. Ab dem 1. Januar 2027 sind im Rahmen der Guidelines Umwelt- und insbesondere Klimarisiken über strukturierte Szenarioanalysen systematisch in Risikosteuerung, Kapitalplanung und Geschäftsstrategie zu integrieren.
Was bringen die Guidelines Neues mit sich? Ein Überblick:
Der Fokus der EBA/GL/2025/04 liegt auf detaillierten Vorgaben zur Durchführung von Szenarioanalysen für Umwelt- und Klimarisiken (physische und Übergangsrisiken). Die Guidelines halten fest, dass Szenarioanalysen der Prüfung der finanziellen Resilienz (kurzfristig, <5 Jahre) und der Geschäftsmodell-Resilienz (langfristig, mind. 10 Jahre) dienen. Dabei müssen Institute relevante Übertragungskanäle identifizieren, geeignete Szenarien auswählen (z.B. NGFS, IEA, IPCC), sowie Datenmanagement und Governance sicherstellen. Ähnlich wie in der EBA/GL/2025/01 zum ESG-Risikomanagement richten sich Umfang und Tiefe der Analysen nach Materialität der Risiken, Größe und Komplexität des Instituts. Die Ergebnisse sollen in Strategie, Risikomanagement und ggf. Kapitalplanung einfließen.
| EBA/GL/2025/01 (ESG-Risikomanagement) | EBA/GL/2025/04 (Szenarioanalyse) | MaRisk (BaFin) | |
|---|---|---|---|
| Anwendungszeitpunkt | 11.01.2026
(SNCI: 11.01.2027) |
01.01.2027 | 29.05.2024 |
| Anwenderkreis | Alle Institute im Sinne der CRD/CRR. Spezifische Erleichterungen gelten für SNCIs. Die BaFin hat „not-comply“ erklärt, wodurch die EBA Leitlinie 2025/01 nicht unmittelbar in nationale Regulatorik übernommen wird. | Alle Institute im Sinne der CRD/CRR. Spezifische Erleichterungen gelten für SNCIs. Die BaFin hat noch keine Erklärung zu comply oder not-comply abgegeben. | Alle Institute nach §1 Abs. 1b KWG bzw. §53 Abs. 1 KWG, inkl. Zweigniederlassungen deutscher Institute im Ausland. |
| Themen | ESG als Risikotreiber, Datenmanagement, Risikomanagement, KPIs, Customer Engangement, Szenarien, Pläne | Fokus auf Umwelt-/ Klima-risiken, Szenarioanalyse, Proportionalität, Governance | ESG als Risikotreiber, Risikoinventur, Strategie, Stresstests, Kreditprozesse, Risikocontrolling, Risikoberichterstattung |
EBA/GL/2025/04: Deep Dive
Im Kern heben die Guidelines die bislang oft eindimensionale und losgelöste Behandlung ökologischer Risiken auf und verankern sie als integralen Bestandteil im gesamten Institut ([60], [62]). Auf Basis einer bereits in den „Draft Guidelines on ESG Scenario Analysis“ (Januar 2025) vorgestellten dualen Struktur reflektiert das Vorgehen unterschiedliche methodologische Horizonte: Die Durchführung kurzfristiger „Climate Stress Tests“ zur quantitativen Überprüfung der Kapital- und Liquiditätsresilienz [87ff.] in Abgrenzung zu langfristiger, strategischer „Climate Resilience Analysis“, die auf die Anpassungsfähigkeit des Geschäftsmodells an transitorische und physische Umweltveränderungen zielen [99ff.].
Damit avanciert die Szenarioanalyse zu einem zentralen Governance- und Steuerungsinstrument, das über bloße Compliance hinaus strategische Orientierungsfunktion übernimmt ([60], [61], [63]). Als Handreichung definieren die Guidelines die methodische Architektur solcher Analysen, einschließlich der Anforderungen an interne Validierung, Konsistenz und institutionelle Verankerung. Neu ist dabei vor allem die Betonung eines einheitlichen Szenarionarrativs, zur Gewährleistung organisationsweiter Kohärenz und Reduzierung methodischer und regulatorischer Ambiguität ([62], [64]).
Implizit bieten die Guidelines Instituten die Möglichkeit, Umweltrisiken als Quelle strategischer Differenzierung zu nutzen. Die systematische Analyse von Transmissionkanälen – den Kausalpfaden zwischen ESG-Risikotreibern und finanziellen Risikopositionen – erlaubt eine präventive Identifikation von Risiken (aber auch Chancen!) im Portfolio [68ff.]. Der Rückgriff auf international anerkannte Referenzszenarien (IPCC, NGFS, IEA) in Verbindung mit institutsindividueller Anpassung der Szenarien gewährleistet dahingehend Machbarkeit, methodische Vergleichbarkeit und Relevanz ([77], [78], [79]).
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Die Guidelines erkennen weiterhin die inhärenten Unsicherheiten ökonomisch-ökologischer Modellierung an und betonen zugleich, dass Institute diese aktiv in ihre Risiko- und Entscheidungsprozesse integrieren sollten, etwa durch Sensitivitätsanalysen und iterative Validierungen. Die Guidlines adressieren damit die Grenzen traditioneller makroökonomischer Rahmenwerke im Hinblick auf nicht-lineare Dynamiken, Rückkopplungseffekte und langfristige Pfadabhängigkeiten [31ff.]. Explizit wird empfohlen, quantitative Szenarioergebnisse als stochastische Bandbreiten und nicht als deterministische Wahrheit zu interpretieren ([33], [34]). Die Guidelines bestärken dahingehend auch die komplementäre Rolle qualitativer Expertenschätzungen insbesondere bei unvollständigen Datengrundlagen ([110], [111]). Insgesamt ist eine solche methodische Demut begrüßenswert, fördert sie doch eine risikoadäquate Interpretation, und verhindert Scheingenauigkeit von Modellresultaten. In dieselbe Kerbe schlägt das Proportionalitätsprinzip, das die Anforderungen nach Größe, Komplexität und Risikoprofil der Institute differenziert: Während für kleinere Institute vereinfachte, qualitative Ansätze oder Sensitivitätsanalysen zulässig sind ([67d], [84], [85]), werden größere Institute mit wesentlichen Umweltengagements zu fortschrittlichen, datenbasierten Modellierungsansätzen angehalten [67e,f].
Die Guidelines fordern zudem eine institutionelle Integration der Szenarioanalyse in bestehende Governance-Strukturen. Ein robustes organisatorisches Rahmenwerk mit funktionsübergreifender Beteiligung, regelmäßiger Überprüfung und transparenter Dokumentation ist verpflichtend ([64], [65]). Die explizite Einbindung der Geschäftsleitung sichert Verantwortlichkeit und Nachvollziehbarkeit gegenüber internen wie externen Stakeholdern [62]. Operativ hingegen impliziert die Umsetzung den Ausbau datenanalytischer Kapazitäten und technischer Infrastruktur. Die Identifikation und Modellierung relevanter Transmissionskanäle sowie die Erstellung institutsindividueller Szenarien erfordern erweiterte Datenerhebungs-, Validierungs- und Analysefähigkeiten ([24], [25], [69]). Die Guidelines lassen hierbei methodischen Gestaltungsspielraum und begrüßen bewusst den Einsatz externer Expertise, um institutionelle Kompetenzlücken zu schließen ([77], [78], [79]).



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