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Vorteile des Closing-Gap-Verfahrens bei der Ermittlung barwertiger Liquiditätskosten

Das Closing-Gap-Verfahren ermöglicht eine Ermittlung barwertiger Liquiditätskosten und der zugehörigen Risiken auf Basis von Forwardgeschäften. Im folgenden Beitrag erfahren Sie mehr über die Funktionsweise und die Vorteile gegenüber anderen etablierten Barwertmodellen.

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Header Closing-Gap-Verfahren

Transparenz als eine zentrale Anforderung an ein praxistaugliches Modell

Wenn Risikoberechnungen modelliert werden, muss das zugrunde liegende Verfahren einige zentrale Anforderungen erfüllen: Es muss finanzmathematisch korrekt, prozessual umsetzbar und für den Nutzer transparent und nachvollziehbar sein.

Der vorliegende Beitrag zeigt, dass das Closing-Gap-Verfahren zum einen dafür geeignet ist, Liquiditätskosten und die zugehörigen Risiken barwertig zu messen, und sich zum anderen im Vergleich zu anderen Barwertverfahren durch differenziertere Analysemöglichkeiten und größere Transparenz auszeichnet.

Refinanzierung von Liquiditätslücken mit Hilfe von Forward-Geschäften

Durch unterschiedliche Zinsbindungen im Zahlungsstrom zwischen Aktiv- und Passivseite entstehen Zinsänderungsrisiken. Analog entstehen Liquiditätskostenrisiken, wenn Zahlungsströme der Aktivseite nicht laufzeitkongruent refinanziert werden. Zinsänderungsrisiken lassen sich mit Zinsszenarien barwertig messen. In analoger Weise lassen sich Liquiditätskostenrisiken mit Szenarien auf Refinanzierungsspreads barwertig messen.

Eine Möglichkeit, diese Refinanzierungslücken zu schließen, ist die modellhafte Annahme einer Refinanzierung mit Hilfe von Forward-Geschäften – also die Annahme einer rollierenden, marktgerechten Refinanzierung. Diese Vorgehensweise bezeichnen wir im Folgenden als Closing-Gap-Verfahren.

Im Gegensatz zu klassischen Barwertmethoden (Strukturkongruente Refinanzierung® oder Zerobond-Abzinsung), die Zahlungsströme auf einer einzigen Zinsstrukturkurve abzinst, erlaubt das Closing-Gap-Verfahren eine differenzierte Bewertung unter Verwendung mehrerer Kurven:

  • Die Berechnung der (offenen) Liquiditätskosten erfolgt mittels Forwardgeschäften auf Basis der bankindividuellen Refinanzierungsspreads. Die so ermittelten künftigen Liquiditätskosten werden mit der Marktzinskurve verbarwertet.

Transparentes, barwertiges Verfahren

Gespräche mit unseren Kunden führen häufig zu der Frage, ob die verwendeten Forwardgeschäfte einer barwertigen Berechnung widersprechen, da diese als geplante Neugeschäfte verstanden werden können.

Für diese Überlegungen ist es essenziell, klar zwischen echten Neugeschäften und rein kalkulatorischen Hilfsgeschäften auf Basis von Forwardzinssätzen zu unterscheiden. Hier kann erneut die Analogie zur Strukturkongruenten Refinanzierung oder zur Zerobond-Abzinsung herangezogen werden.

Bei einer barwertigen Berechnung müssen folgende wesentliche Prämissen eingehalten werden:

  • Das eingesetzte Volumen dient ausschließlich der Schließung bestehender Laufzeitinkongruenzen im Ist-Zahlungsstrom.
  • Die Hilfsgeschäfte basieren nicht auf Zinsprognosen, sondern auf aktuellen Kassa- und Forwardzinssätzen, die keine Zinsmeinung enthalten.
  • Es werden keine Margenbestandteile berücksichtigt – die Geschäfte sind also barwertneutral.

Diese Bedingungen sind nicht nur bei der Strukturkongruenten Refinanzierung und bei der Zerobondabzinsung, sondern auch im Closing-Gap-Verfahren erfüllt. Die verwendeten Forwardgeschäfte stellen kein mit Planannahmen versehenes Neugeschäft dar, sondern ein methodisches Hilfsmittel zur barwertigen Berechnung.

Identische Ergebnisse unterschiedlicher barwertiger Verfahren

Die Forderung nach Barwertneutralität der Hilfsgeschäfte lässt sich praktisch überprüfen, indem ein Zahlungsstrom mittels Strukturkongruenter Refinanzierung, Zerobond-Abzinsung und Closing-Gap-Verfahren bewertet wird.

Dabei ist sicherzustellen, dass in allen drei Verfahren dieselbe Zinskurve verwendet wird. Das bedeutet, dass eine Marktzinskurve – unter Berücksichtigung von Usancen – konsistent in Straight Bonds, Zerobonds und Forwardzinssätze überführt werden muss.

Bei exakter Berechnung liefern alle drei Verfahren identische Ergebnisse.

Asymmetrische Bewertung als methodischer Vorteil

Wenn alle drei Modelle bei identischer Parametrisierung auch identische Ergebnisse liefern, was ist dann der Vorteil des Closing-Gap-Verfahrens bei der barwertigen Berechnung von (offenen) Liquiditätskosten?

Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in seiner Fähigkeit zur asymmetrischen Bewertung. Im Rahmen der Aufzinsung lässt sich nämlich unterscheiden, ob ein Refinanzierungsbedarf oder ein Liquiditätsüberschuss vorliegt. So ist es möglich, nur künftige Refinanzierungskosten mit Spreads zu bewerten, nicht aber einen Liquiditätsüberschuss. Die bis zum Ende des Betrachtungszeitraums auflaufenden aggregierten Refinanzierungskosten werden mit der Marktzinskurve verbarwertet.

Die gleiche Logik ist auch im Rahmen der Verlustfreien Bewertung gemäß dem Standard IDW RS BFA31 zu berücksichtigen. Hier werden bei einem künftigen Refinanzierungsbedarf Liquiditätskosten berechnet, während bei einem künftigen Liquiditätsüberhang kein Liquiditätsnutzen kalkuliert werden sollte.2

Diese asymmetrische Sichtweise ist in klassischen Barwertsimulationen nicht darstellbar und stellt den entscheidenden Vorteil des Closing-Gap-Verfahrens dar.

Ein weiterer Vorteil ist die intuitive Nachvollziehbarkeit des Verfahrens. Auch wenn sich barwertige Liquiditätskosten (auf symmetrische Weise) im Rahmen einer klassischen Barwertberechnung mit Hilfe von Refinanzierungsspreads ermitteln lassen, erscheint die Abzinsung des Kapitalbindungs-Cashflows für die Berechnung von Refinanzierungskosten methodisch weniger intuitiv und nachvollziehbar als das explizite Schließen von künftigen Refinanzierungslücken mit Forwardgeschäften. Mit diesem Algorithmus stellt das Closing-Gap-Verfahren direkt den Zusammenhang zwischen Rechenlogik, fachlicher Fragestellung und einer möglichen Absicherung durch das Treasury3 her.

Fazit

Das Closing-Gap-Verfahren ermöglicht eine Ermittlung barwertiger Liquiditätskosten und der zugehörigen Risiken auf Basis von Forwardgeschäften.

Es handelt sich um ein rein barwertiges Verfahren, das keine Planannahmen verwendet. Es bietet im Vergleich zu etablierten Barwertmodellen Vorteile bei der Berechnung von künftigen Refinanzierungskosten, indem es eine asymmetrische Betrachtung von Refinanzierungslücken und -überhängen ermöglicht. Zudem ist es intuitiv nachvollziehbar und konsistent zu den IDW-Anforderungen nach BFA3.

Quellen
Rainer Alfes

Rainer Alfes

ist Diplom-Mathematiker und bei msg for banking spezialisiert auf Asset-Liability-Management sowie Steuerung der Marktpreis- und Liquiditätsrisiken. Als Executive Business Consultant berät er zu produktstrategischen Themen. Er hat langjährige Erfahrung in der Konzeption von Risikomanagementsystemen und der Abbildung von Treasuryprozessen und ist Autor von Fachartikeln sowie erfahrener Referent.

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