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Biodiversität im Finanzsektor – Relevanz, Risiken und Regulatorik

Biodiversität ist im Finanzsektor ein zunehmend strategisches Thema. Der Rückgang ökologischer Vielfalt hat umfangreiche Konsequenzen auch für Banken.

Erfahren Sie, warum Biodiversität für Banken kein Randthema mehr ist, welche physischen, transitorischen und rechtlichen Risiken entstehen und wie Datenprozesse, Regulatorik und nachhaltige Geschäftsmodelle darauf reagieren.

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Die Bedeutung von Biodiversität im Finanzsektor

Biodiversität beschreibt die Vielfalt des Lebens auf der Erde – von den genetischen Unterschieden innerhalb einzelner Arten bis hin zu den ökologischen Wechselwirkungen, die das Funktionieren von Ökosystemen ermöglichen. Ihr Schutz ist Kernanliegen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt von 1992. Dieses verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, biologische Vielfalt zu erhalten, ihre Nutzung nachhaltig zu gestalten und die Vorteile aus genetischen Ressourcen gerecht zu teilen. Dennoch schreitet der Verlust an Arten und Lebensräumen weiter voran – mit spürbaren Folgen für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft.

Auch für Banken ist Biodiversität längst kein Randthema mehr. Der Rückgang ökologischer Vielfalt kann Lieferketten gefährden, Produktionskosten erhöhen und ganze Geschäftsmodelle infrage stellen. Damit wird Biodiversität zu einem Risikofaktor, der physische, regulatorische und rechtliche Risiken umfasst. Zugleich entstehen neue Chancen, etwa durch die Finanzierung von Projekten zur Renaturierung, nachhaltigen Landnutzung oder naturbasierten Lösungen. Diese Aktivitäten fördern nicht nur ökologische Stabilität, sondern stärken langfristig auch die Widerstandsfähigkeit von Märkten und Institutionen.

Die aktuellen regulatorischen Entwicklungen zeigen: Biodiversität ist kein Nebenaspekt mehr, sondern ein zentrales Element nachhaltiger Unternehmensführung. Bisher fehlt es dennoch oftmals an belastbaren Daten und klaren Bewertungsmaßstäben. Banken sollten sich daher aktiv mit Biodiversitätsrisiken auseinandersetzen und entsprechende Datenprozesse etablieren. Denn: Biodiversität birgt ein neues, bislang wenig beachtetes Risiko, das Banken frühzeitig in ihre Strategien und Prozesse integrieren sollten – um regulatorische Vorgaben zu erfüllen und die eigene Zukunftsfähigkeit nachhaltig zu sichern.

Regulatorische Anforderungen und Rahmenwerke

Inzwischen sind Biodiversitätsaspekte fest in den europäischen und nationalen Nachhaltigkeitsrahmen eingebunden:

  • EBA-Leitlinien zu ESG-Risiken: Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde definiert Biodiversität als Umweltrisikofaktor, der Kredit-, Markt- und operationelle Risiken beeinflusst. Institute sollen diese Risiken identifizieren, bewerten und in ihre strategischen Entscheidungen einbeziehen.
  • CSRD und ESRS E4: Die Corporate Sustainability Reporting Directive verpflichtet Unternehmen, biodiversitätsbezogene Risiken, Abhängigkeiten und Strategien offenzulegen. Der Standard ESRS E4 konkretisiert diese Anforderungen.
  • BaFin-Merkblatt zu Nachhaltigkeitsrisiken: Die BaFin fordert, Biodiversität als Bestandteil physischer Nachhaltigkeitsrisiken in Governance, Strategie und Risikosteuerung zu integrieren.
  • EU-Taxonomie (Ziel 6): Das Umweltziel „Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme“ definiert Aktivitäten, die einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Natur leisten. Banken müssen diese Kriterien zur Bestimmung ihrer Taxonomie-Quoten berücksichtigen.
  • MiFID II und SFDR: Beide Regelwerke führen biodiversitätsbezogene Aspekte in die Anlageberatung und Produkttransparenz ein.
  • ISO-Standard 17298:2025: Unterstützung beim Verständnis von Wechselwirkungen mit biologischer Vielfalt, Chancen für naturpositive Finanzierungen zu erkennen du bei der Entwicklung und Umsetzung eines Biodiversitäts-Aktionsplans

Warum Biodiversität im Bankensektor bislang unterrepräsentiert ist

Unsere Beratungspraxis zeigt, dass viele unserer Kunden die Bedeutung von Biodiversität anerkennen, aber bisher weder Ziele noch messbare Kennzahlen einsetzen.

Datenmanagement als Schlüssel zur Bewertung von Biodiversitätsrisiken

Die Integration von Biodiversitätsaspekten in das Risikomanagement hängt wesentlich von der Qualität und Verfügbarkeit geeigneter Daten ab. Datenmanagement wird damit zum zentralen Handlungsfeld. Da Biodiversitätsdaten oft dezentral und in unterschiedlicher Qualität vorliegen – bei Behörden, Forschungseinrichtungen oder NGOs – müssen Banken geeignete Prozesse entwickeln, um diese Informationen nutzbar zu machen.

Ein möglicher Ansatz ist die Einbindung von partizipativen Datenquellen: Im Rahmen von Projektfinanzierungen werden interessierte Bürger und Bürgerinnen oder lokale Umweltgruppen eingebunden, um Biodiversitätsdaten zu erheben und Veränderungen langfristig zu dokumentieren.

Das übergeordnete Ziel: ökologische und finanzielle Daten zusammenzuführen. Die Verwendung anerkannter Klassifikationen – etwa der EU-Taxonomie (Ziel 6) oder der IUCN-Kategorien – erleichtert dabei Vergleichbarkeit über die Institutsgrenzen hinaus. Orientierung bietet die TNFD-Methodik („Locate – Evaluate – Assess – Prepare“), die es erlaubt, Abhängigkeiten und Risiken schrittweise zu erfassen. Nebst Standardisierung ist daher – wie bei klassischen Klimadaten auch – eine klare Daten-Governance Pflicht: Zuständigkeiten sollten festgelegt, Qualitätsstandards definiert und Datenquellen transparent dokumentiert werden. Nur so ermöglicht die Kombination interner Kunden- und Standortdaten mit externen Umwelt- und Satellitendaten eine präzisere Risikobewertung.

Perspektive und Ausblick

Die politische und regulatorische Dynamik wird Biodiversität weiter in den Mittelpunkt rücken. Das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 und das Renaturierungsgesetz schaffen hierfür verbindliche Rahmenbedingungen. Parallel etabliert die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) ein Berichtsformat, das Biodiversität in Governance, Strategie und Kennzahlen integriert. Für Banken bedeutet das einen Paradigmenwechsel: Biodiversität ist kein zusätzliches ESG-Thema, sondern Teil der ökonomischen Realität.

Langfristig wird Biodiversität zu einer festen Größe integrierter Nachhaltigkeits- und Risikostrategien. Entscheidend wird sein, ob Institute sie als Chance begreifen – als Faktor, der langfristige Wertschöpfung sichert, Risiken mindert und neue Geschäftsmodelle ermöglicht.

Quellen
Svenja Atzrott

Svenja Atzrott

hat einen Master in Wirtschaftssoziologie und ist bei msg for banking im Bereich Non Financial Risk and Sustainable Finance beschäftigt. Sie bearbeitet Themen rund um ESG-Risken, ESG-Datenmanagement, Nachhaltigkeitsberichterstattung, Risikoberichterstattung und Projektmanagement.

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