Small-Banking Regime – ein Vorstoß von BaFin und Bundesbank
BaFin und Bundesbank haben ein bemerkenswertes Non-Paper verfasst, in dem sie spezifische Aufsichtsansätze im Rahmen eines Small-Banking Regimes zur Diskussion stellen: kleine und nicht-komplexe Banken, die die definierten Kriterien erfüllen und sich im Rahmen eines freiwilligen Opt-In entscheiden, sollen den Zugang zu fundamentalen Erleichterungen erhalten. Dies beinhaltet neben dem Wegfall des KSA weitere Erleichterungen mit teilweise erheblichen Auswirkungen für die Institute.
Vorbemerkung
Das, was die Bundesanstalt für Bankenaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank über ein Non-Paper „A Simple Regulatory Regime for Small and Non-Complex EU Banks“ an Gedankenvorstoß geleistet haben, markiert einen Paradigmenwechsel in Bezug auf quantitative und qualitative Bankenaufsicht. Dieser wird zudem ergänzt durch ein weiteres Dokument „Reducing regulatory complexity“.
Im diplomatischen Sprachgebrauch umfassen Non-Papers Dokumente, die informell vorgelegt werden, um die Akzeptanz von Vorschlägen bei den anderen Beteiligten zu testen. Für uns jedenfalls Grund genug für eine fundierte inhaltliche Auseinandersetzung mit den darin enthaltenen Überlegungen.
Dieser Beitrag ist der Auftakt einer Trilogie:
- Heute widmen wir uns inhaltlich den konzeptionellen Überlegungen zu einem „Small-Banking Regime“.
- Wir haben in einem weiteren Blogbeitrag „Reduzierung der regulatorischen Komplexität in den Eigenmittelanforderungen: ein Lösungsansatz von BaFin und Bundesbank“ zu einem weiteren Non-Paper Stellung genommen.
- Den dritten Beitrag „Geschäfts- und risikopolitische Auswirkungen eines Small-Banking Regimes sowie reformierter Eigenmittelanforderungen“ haben wir im Oktober 2025 veröffentlicht.
Gestaltungsprinzipien für ein Small-Banking Regime (SBR)
Um die Vorschläge des Non-Papers besser einordnen zu können, ist es zunächst wichtig, die Rahmenbedingungen im Sinne von Prinzipien zu kennen, die BaFin und Bundesbank für Ihre nachfolgenden Überlegungen zu Grunde gelegt haben:
- Verhältnismäßigkeit mit Zielsetzung:
Regulatorische Erleichterungen nicht als Selbstzweck, sondern als angemessen kalibrierte Anforderungen, die dem tatsächlichen Risikoprofil kleiner Institute gerecht wird - Gleiche Wettbewerbsbedingungen:
Keine Wettbewerbsverzerrungen zwischen kleinen und großen Instituten - Finanzstabilität:
Ein Small-Banking Regime darf die Finanzstabilität nicht gefährden (= makroprudenzielle Dimension). - Transparente und objektive Zulassungskriterien
- Freiwilliger Opt-in-Ansatz
Welche Institute sollen von einem Small-Banking Regime profitieren können?
Als quantitativer Schwellenwert steht eine Obergrenze von 10 Mrd. EUR Gesamtaktiva im Raum, der analog vergleichbarer Regelungen als Dreijahresdurchschnitt berechnet wird. Flankiert wird dieser Vorschlag von weiteren quantitativen Begrenzungen wie
- Überwiegender „Inlandsbezug“ der Geschäfte (Fokus = EWR)
- begrenzte Handelsbuchaktivitäten
- Begrenzung der Derivatepositionen
Eine detaillierte Beschreibung werden wir im dritten Beitrag vornehmen, da diese Kriterien letztendlich das Geschäfts- und Risikoprofil des Instituts bestimmen und ein einfaches, weniger komplexes Geschäftsmodell mit begrenztem Marktrisiko gewährleisten sollen.
Daneben werden im Non-Paper qualitative Anforderungen vorgeschlagen. Da die meisten LSI-Institute diese erfüllen dürfen, gehen wir hierauf nicht näher ein. Lediglich ein thematisierter Vorweg-Ausschluss von Instituten mit „ungewöhnlich hohen Zinsrisiken im Anlagebuch“, Institute unter verstärkter aufsichtlicher Kontrolle oder vergleichbaren Merkmalen erscheint uns hier nennenswert.
Zentrale Voraussetzung würde weiterhin die Einhaltung einer im Vergleich zur Säule-1-Anforderungen deutlich hinausgehende Mindestverschuldungsquote (Leverage Ratio) sein. Diese würde dann nicht nur als Zugangskriterium fungieren, sondern auch als primäre laufende Kapitalanforderungen, die das bisherige risikobasierte Kapitalrahmenwerk ablösen.
Erwähnenswert ist weiterhin, dass die Einhaltung definierter Kriterien keinen Automatismus statuiert. Stattdessen ist ein sogenannter Opt-In vorgesehen: Die Stellung eines expliziten Antrags zur Zulassung sowie eine turnusmäßige Bestätigung des Status im Rahmen einer vereinfachten Berichterstattung. Auch in Bezug auf einem Opt-Out bestehen konzeptionelle Überlegungen.
Die Vorschläge im Detail
Eigenmittelanforderungen
Das zentrale Element des Non-Papers besteht in der Überlegung, die bisherigen risikobasierten Eigenmittelanforderungen (Gesamtrisikobetrag) durch eine einfache Anforderung an die Verschuldungsquote zu ersetzen. Dieser Ansatz soll der Tatsache Rechnung tragen, dass für Institute mit einem niedrigen Risikoprofil, von denen kein relevantes Systemrisiko ausgeht, die Komplexität der Berechnungen der risikogewichteten Aktiva nur einen minimalen aufsichtsrechtlichen Nutzen bringt. Gleichzeitig verursacht er aber erhebliche Kosten für die Einhaltung der Vorschriften. BaFin und Bundesbank berufen sich dabei insbesondere auf die Erkenntnisse im Rahmen der Schweizer Kleinbankenregelung sowie die CBLR-Rahmen der Vereinigten Staaten.
Die vorgeschlagene Abschaffung würde nicht nur die Anforderungen der Säule 1 (P1R) betreffen, sondern auch alle Komponenten der Säule 2 (P2R, P2G) sowie die Pufferanforderungen (CCB).
Die Säule-1-Anforderungen an die Verschuldungsquote beträgt nach Art. 92 Abs. 1 CRR drei Prozent. Ohne dass BaFin und Bundesank konkrete quantitative Vorschläge definiert haben, dürfte für ein Small-Banking Regime eine Mindest-Verschuldungsquote analog dem Schweizer Kleinbankenregime (8 Prozent) oder des CBLR-Rahmens der Vereinigten Staaten (9 Prozent) im Raum stehen.
Dabei soll ein Teil dieser Anforderung in Form eines (wiederverwendbaren) Puffers vorgehalten werden. Dieser Teil könnte dann als makroprudenzielles Instrument fungieren – vergleichbar der Zielsetzung und Wirkung des antizyklischen Kapitalpuffers.
Insgesamt würde dieser Vorschlag einen weitgehenden Paradigmenwechsel der Bankenaufsicht in Bezug auf die Beurteilung der normativen Kapitalausstattung einleiten.
Liquiditätsanforderungen
Im Raum steht eine Abschaffung der Net Stable Funding Ratio (NFSR), also der strukturellen Refinanzierungsquote im Rahmen des SBR. Diese könnte durch ein einfaches Maß „Ausleihquote“, also ein maximales Kredit-Einlagen-Verhältnis (z.B. 90 Prozent), ersetzt werden. Ergänzend sollten mindestens 10 Prozent der Aktiva in sogenannten hochliquiden Aktiva gehalten werden. Aus Sicht der Aufsicht würde diese Vereinfachung vergleichbare aufsichtsrechtliche Ergebnisse bei drastisch reduzierter Komplexität erzielen.
Meldewesen- und Offenlegungsanforderungen
Die Überlegungen bestehen darin, die aktuellen Meldepflichten umfassend zu konsolidieren und zu vereinfachen. Die Vielzahl der derzeitigen Meldungen würde durch ein „integriertes Meldeformular“ ersetzt, das wesentliche aufsichtsrelevante Informationen erfasst. Zudem soll die Meldefrequenz risikoorientiert reduziert werden. Dies würde zu einer erheblichen administrativen Entlastung der Institute führen, ohne dabei einen Informationsverlust für die Aufsichtsbehörden zu deren systemischen Bewertung zu riskieren.
In Bezug auf die Offenlegungspflichten steht eine (weitere) Reduktion im Raum – alternativ auch eine vollständige Befreiung.
Aufsichtliche Stresstests
Hier schlagen BaFin und Bundesbank vor, Institute unter dem SBR künftig von den umfangreichen aufsichtlichen Anforderungen an deren Stresstest-Programm zu entlasten. An dessen Stelle könnten Aufsichtsbehörden Top-Down-Stresstests mit standardisierten Szenarien und vereinfachten Dateneingaben initiieren.
Vergütung
Artikel 92 bis 94 CRD enthalten umfangreiche Anforderungen an die Vergütungsregelung der Institute, die in Deutschland über § 25a Abs. 5 KWG und die Institutsvergütungsverordnung in nationales Recht überführt wurden. Die Überlegungen bestehen darin, Institute mit einem geringen Anteil an variabler Vergütung von den umfangreichen Anforderungen der CRD auszunehmen. Voraussetzung hierfür wäre ein Kriterium, das die variable Vergütung auf einen zu definierenden Anteil der Gesamtvergütung begrenzt.
EBA-Leitlinien
BaFin und Bundesbank übertragen den mit dem SBR verbundenen Grundgedanken der Vereinfachung und der Proportionalität auch auf die EBA-Leitlinien: Anzahl und Inhalte der EBA-Leitlinien berücksichtigen den Proportionalitätsaspekt nach deren Einschätzung nur unzureichend. Daher greifen die Überlegungen zwei Aspekte auf:
- Spezielle Regelungen für SBR-Institute
- Generell eine deutlich prinzipienorientiertere Formulierung, um den Anforderungen kleinerer Banken bei der nationalen Umsetzung der aufsichtlichen Anforderungen besser Rechnung zu tragen.
Bewertung und Ausblick
Proportionalität in der Bankenaufsicht ist ein erklärtes und glaubwürdiges Ziel von BaFin und Bundesbank1. Die MaRisk selbst sind bereits seit Beginn an prinzipienorientiert formuliert und betonen ausdrücklich den Proportionalitätsaspekt. Die Aufsichtsmitteilung der BaFin vom November 20242 schaffte mit ihren Klarstellungen und Festlegungen weitere Erleichterungen. Die aktuell laufende Überarbeitung der MaRisk diesbezüglich wird einen weiteren konsequenten Schritt bedeuten.
Mit dem vorgelegten Non-Paper gehen BaFin und Bundesbank deutlich darüber hinaus und leisten einen wichtigen Vorschub für eine konstruktive Diskussion um ein Small-Banking Regime auf der Ebene des europäischen Regulierungsrahmens.
Insofern wäre zu wünschen, dass die Transformation des „Non-Papers“ in ein Konsultationspapier gelingt. Die Umsetzung wäre demnach mit Anpassungen der CRR und auch der CRD verbunden. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass dort, wo ein gemeinsamer politischer Wille besteht, auch pragmatische Umsetzungslösungen im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsverfahrens gefunden wurden.
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